Hinter den Kulissen des Essener Inkassounternehmens Lowell (2024)

Essen. Wer seine Rechnung nicht bezahlt hat, landet bei einem Inkassounternehmen. Ein Blick hinter die Kulissen von Lowell in Essen.

Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher trotz Mahnung ihre Mobilfunk-Rechnung nicht bezahlt oder ihren Ratenkredit nicht bedient haben, kommen Inkassounternehmen ins Spiel. Händler und Banken lagern das Forderungsmanagement immer häufiger an Dienstleister aus. Einer der großen in der Branche ist die Lowell-Gruppe. Wir hatten erstmals Gelegenheit, hinter die Kulissen des Essener Zentrale zu schauen, die für Deutschland, Österreich und die Schweiz zuständig ist.

Im Lowell-Gebäude gleich an der A 40-Auffahrt Essen-Zentrum gilt noch Corona-Vorsicht. „Im Moment sind zehn bis 15 Prozent unserer 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Büro“, sagt Geschäftsführer Holger Taubmann. Das gilt auch für das Communication Center. Die Mehrheit der rund 150 Beraterinnen und Berater in Essen und Ratingen erledigt derzeit noch die rund 6000 täglichen Kontakte mit Schuldnerinnen und Schuldnern – die bei Lowell Konsumenten heißen – von zu Hause aus.

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Sachbearbeiter Claus Graven ist einer, der vor Ort die Stellung hält. Wenn das Telefon schellt, sieht er anhand der Telefonnummer gleich auf seinem Bildschirm, um welche Person und um welchen Fall es geht. „Die meisten Konsumentinnen und Konsumenten sind sehr dankbar dafür, wie wir sie in Empfang nehmen und dass sie mit uns sprechen können“, berichtet Graven. Aus unzähligen Kontakten weiß der Berater, dass die meisten Menschen, die es mit einem Inkasso-Unternehmen zu tun bekommen, in einer schwierigen Lage stecken. „Oft haben sie die ausstehende Zahlung immer wieder vor sich hergeschoben und wissen weder ein, noch aus.“

Zahlungsrückstände haben viele Gründe

Die Gründe für Zahlungsrückstände seien vielfältig, meint Sven Arnolds. „Nicht selten stecken Schicksalsschläge dahinter“, sagt der Bereichsleiter bei Lowell. Claus Graven hört die Geschichten, wenn er mit den Menschen spricht: Arbeitslosigkeit, Trennung oder Scheidung, Krankheit. „Am Anfang geht es darum, den Konsumenten die Angst zu nehmen“, so der Sachbearbeiter. Anhand der aktuellen Einkommenssituation macht er dann einen Vorschlag für eine Ratenzahlung, die sich die Betroffenen leisten können. „Einige Konsumenten wollen höhere Raten zahlen, als sie sich wirklich leisten können. Da intervenieren wir dann“, sagt Graven und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen: „Es sind eher die Leute mit hohen Einkommen, die vergleichsweise niedrige Raten anbieten.“

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Sejla Delic ist Teamleiterin im Communication Center. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben je nach Einzelfall und Vorgaben der Kunden einen Kompetenzrahmen, in dem sie den Konsumenten entgegenkommen können“, sagt sie. In den eher seltenen Fälle, in denen die Klienten im Gespräch nicht so freundlich bleiben, schalten sich die Teamleiter ein.

Sorge vor der Pfändung

„Drohende Zwangsvollstreckungen, Kontosperrungen oder Pfändungen sind existenziell. Ich kann sogar verstehen, wenn manche Menschen erstmal ungehalten werden“, berichtet Claus Graven. Aber auch dann, sagt Teamleiterin Chantal Diana Galleck, seien die Kolleginnen und Kollegen angehalten, „erst einmal zuzuhören und zu fragen, was den Leuten auf der Seele brennt“.

475 Millionen Euro hat Lowell im vergangenen Jahr von Essen aus in Deutschland, Österreich und in der Schweiz „in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt“, wie es Geschäftsführer Taubmann umschreibt, und an die mehr als 2000 Kunden ausgeschüttet. Das Geschäft des Inkasso-Unternehmens ruht auf zwei Säulen: „Wir kaufen einerseits ganze Forderungspakete, zum Beispiel von Banken, und arbeiten dabei auf eigene Rechnung. Und wir übernehmen das Servicegeschäft für große Konzerne aus den Branchen Versicherung, Telekommunikation oder Handel. Wir übernehmen auch ganze Mahnabteilungen von Unternehmen, in deren Auftrag wir tätig werden“, so Taubmann.

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In Deutschland, Österreich und in der Schweiz zählt sich Lowell zu den Top 3 der Inkassounternehmen. „Mit 20 Prozent aller geschäftsfähigen Einwohnerinnen und Einwohner in diesem Markt hatten wir schon Kontakt“, sagt Taubmann. Dadurch verfüge sein Haus über eine gewaltige Zahl an Daten von Konsumenten und Konsumentinnen. „Ein hochsensibles Thema, das wir mit höchsten Datensicherheitsstandards behandeln“, meint der Geschäftsführer.

Lowell reagiert auf die Hochwasser-Katastrophe

Die Daten sollen auch als Grundlage dienen, um Überschuldung vorzubeugen. „Anhand der Daten über Konsumenten-Verhalten und mit unserer langjährigen Erfahrung im Bereich Datenanalyse unterstützen wir unsere Kunden in deren Prozessen. In diese „natürlich nicht namensscharfen Datenprojekte“ investiere Lowell viel Geld.

Das europaweit tätige Inkasso-Unternehmen nimmt dabei für sich in Anspruch, einen ethischen Ansatz zu verfolgen. „Die Menschen sollen sich bei uns gut aufgehoben fühlen. Wir verstehen uns als Berater, die Menschen helfen, ihre finanzielle Situation zu ordnen.“ Bei der verheerenden Flut Mitte Juli seien die sozialen Maßstäbe zur Geltung gekommen. „In die Postleitzahlen-Bezirke, die vom Hochwasser betroffen waren, haben wir erst einmal keine Mahnschreiben mehr verschickt“, berichtet Taubmann. „Unsere soziale Verantwortung nehmen wir sehr ernst.“

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